Schiffshebewerk Niederfinow

Hebewerkgerüst

Das Schiffshebewerk (Bauzeit 1927-1934) besteht aus einer genieteten Stahlkonstruktion (1,6 bis 1,8 Millionen Nieten) aus höherfestem Stahl (St52).
Das Hebegerüst steht auf Stahlpfeilern 8m tief versenkt in der sogenannten Trogkammer. Die Trogkammersohle hat eine 4m starke Stahlbetonplatte, die auf Grund der ungünstigen Baugrundverhältnisse auf 9 mit Hilfe des Luftdruck-Gründungsverfahrens teilweise über 20m tief in den Boden eingelassenen Pfeilern ruht.
Der Oder-Havelkanal wird mit einer ebenfalls genieteten Trogbrücke an das Hebewerk herangeführt (175m lang, 34m breit, 4000t Stahlgewicht).
Auch die Trogbrücke steht auf 3 Pfeilerbauten, die mittels Druckluft teilweise über 20m tief in den Boden eingelassen wurden. Die Funktion ist vergleichbar mit einem Fahrstuhl. In der Mitte des riesigen Stahlgerüsts hängt der Trog (85 m lang, 12 m breit, 4300 Tonnen schwer) an 256 Stahlseilen, die über 128 zweirillige Seilscheiben mit je 3,5 m Durchmesser laufen. 192 Gegengewichte aus Beton schaffen einen Gewichtsausgleich, so dass für den Antrieb nur eine relativ geringe Antriebskraft nötig ist.
Trogantrieb
Trog-Antrieb



Antrieb des Troges

Schema_Trogantrieb
Trogantrieb - Funktionsdarstellung
Auf dem Trog befinden sich im ersten und dritten Viertel seiner Länge zwei Maschinenhäuser (siehe Abb. "Trogantrieb"), die je einen Elektromotor enthalten, die über verschiedene Zahnräder und Wellen kräftige Zahnräder (Ritzel) mit 13 starken Zähnen antreiben.
Die Zähne der vier Ritzel greifen in sog. Zahnstockleitern, die am Hebewerkgerüst befestigt sind (siehe Abb."Trogantrieb - Funktionsdarstellung"). An diesen vier stählernden Leitern klettert der Trog mit einer Geschwindigkeit von 12 cm/Sek. herauf und herab, so daß die ganzen 36 min fünf Minuten zurückgelegt werden.

Der symmetrische Antrieb wird mit vier 75 PS starken Gleichstrom-motoren in Leonardschaltung (Motore laufen dadurch drehzahlsynchron) realisiert. Die Motoren sind über Wellen verkuppelt, so dass bei Störung eines Motors die drei anderen Anriebe die Arbeit mit übernehmen können.
Die Achse der Ritzel stützt sich auf einen ungleicharmigen Hebel, dessen längerer Arm von starken Federn in der waagerechen Mittellage gehalten wird. Die Federn sind so vorgespannt, dass sie erst bei einer Gleichgewichts-Störung von 30 t je Ritzel nachgeben. Der Ritzel kann also federnde Bewegungen ausführen, so dass bei einer Gleichgewichtsstörung des Troges nicht gleich die Zähne wegbrechen.


Sicherheitsvorrichtung

Unmittelbar neben den Ritzeln hat der Trog obere und untere Eckstücken (siehe Abb."Trogantrieb - Funktionsdarstellung"). Zwischen diesen untereinander liegenden Eckstücken ist eine 1,40 m lange Schraubenspindel mit 78 cm Kerndurchmesser - der "Drehriegel" - eingebaut, der über Zahnräder vom Antrieb in Drehung versetzt wird, so dass er sich bei der Auf- und Abwärtsfahrt des Troges durch die Windungen einer langen, feststehenden Schraubenmutter hindurchschraubt (40 m) - und das an vier Stellen. Die Schraubenmuttern sind mit einem Schlitz versehen, damit Drehriegel und Eckstück in diese Schraubenmuttern (Mutterbacken) hineingreifen können. Der Spielraum zw. den Windungen des Drehriegels und den Mutterbacken beträgt 3 cm. Nach der Inbetriebnahme im Zeitalter der Dampfschifffahrt war eine Kesselexplosion eines einfahrenden Dampfers nicht auszuschliessen. Solch eine Explosion konnte z.B. verursachen, dass der Trog in wenigen Minuten leer läuft. Die Gegengewichte mit der gleichbleibenden Kraft von 4200 t würden auf die Ritzel einen so großen Druck ausüben, dass die Federspannung der Ritzellagerung nachgibt - aber eben nur 3 cm, denn dann lagern sich die Drehriegel auf die Mutterbacken auf, halten selbssperrend den Trog fest und geben den ganzen Zug der Seile an die Mutterbackensäule und somit an das Hebewerkgerüst ab. Ähnlich ist die Wirkungsweise bei allen Gleichgewichtsstörungen des Troges. Sobald eine größere Gleichgewichtsstörung die Ritzel zum Ausweichen bringt und der 3 cm Spielraum zwischen den Gewinden der Drehriegel und Mutterbacken dadurch kleiner zu werden beginnt, schaltet sich selbständig der Strom aus; die Bremsen der Triebwerke fallen ein, Ritzel und Drehriegel bleiben stehen und bei weiterer Änderung des Gleichgewichts setzt sich der Trog auf die vier Mutterbacken ab.


Trog- und Haltungstore

Die Trog- und Haltungstore sind als Hubtore ausgeführt. Je ein Trogtor 12,5 m breit und 3,5 m hoch schliesst den Trog an beiden Seiten ab - Gewicht 23 t.
Die Haltungstore sind bei gleicher Breite etwas höher und so schwerer.
Damit die Tore sicher schliessen ist im geschlossenen Zustand eine Torüberlast zu den Gegengewichten von ca. 1 t vorhanden. Gedichtet werden die Tore durch eine u-förmig um den Wasserquerschnitt herumgeführte Gummileiste.
Wenn der Trog vor die obere oder untere Kanalhaltung gefahren ist, werden zwei starke Hebel, die beidseitig am Gerüst befestigt sind, gegen Anschläge am Trog gedrückt, so dass sich eine feste Verbindung zwischen Trog und Haltung ergibt (Verriegelung). Der Druck wird durch elektrisch angetriebene Spindeln erzeugt.
Zwischen den Toren des Troges und der Haltungsabschlüsse befindet sich ein Spalt von etwa 10 cm, der dem Trog die Vorbeifahrt ermöglicht. Wenn der Trog an die Haltung angelegt werden soll, so muss erst einmal der Spalt abgedichtet werden. Das wird durch einen Andichtrahmen mit Gummileiste erreicht, der u-förmig das Ende des Kanalhaltungsabschlusses umfasst und über 14 elektrisch angetriebener, gefederter und gekuppelter Spindel-Pressen um die Spaltbreite aus der Flucht des Haltungsabschlusses herausgeschoben wird (siehe Abb. "Trog- und Haltungstore - Funktionsdarstellung").

Die Gummileiste muss mit etwa 8 kg Druck je cm gegen den Trogschild gepresst werden, damit kein Wasser durchsickert - das entspricht bei ihrer Länge von 25 m einem Druck von 20 t.

Trog- und Haltungstor - Funktionsdarstellung



Quelle :

"Das Schiffshebewerk Niederfinow", Eberhard Fischer, (Verlagsgesellschaft R. Müller mbh., Eberswalde)