Der Finowkanal

Bau des ersten Finowkanals

Durch die Entwicklung und den Bau von Schleusen wurde die Möglichkeit geschaffen, auch Wasserscheiden zu überwinden - man konnte nun also auch "bergauf" schiffern. Zwischen Oder und Havel war so die Überwindung des Ostbrandenburgischen Höhenrückens möglich geworden.

Bereits 1603, veranlasst durch Kurfürst Joachim Friedrich, begann der Bau des Finow-Kanals - einem Abschnitt der Wasserstrasse zwischen Havel und Oder. Der Schifffahrtsweg sollte Berlin mit dem Seehafen Steetin und den östlichen Provinzen des preußischen Staates verbinden. Unter grossen Schwierigkeiten wurde zwischen der Alten Havel, auch "Faule Havel" genannt (bei Liebenwalde) bis zum Möllensee (bei Schöpfurth, heute Finowfurt) eine schiffbare Wasserstrasse gegraben (8 m breit und 1-1,5 m tief, 22,6 km lang).

Zwischen Liebenwalde und Zerpenschleuse wird der Finowkanal auch “Langer-Trödel” genannt, weil Schiffe mit großem Tiefgang auf diesem Abschnitt getreidelt werden mussten. Das heißt, die Schiffe wurden von beiden Uferseiten (Treidelwege) aus geschleppt. Diese Form der Schifffahrt dauerte seine Zeit ...



1609 war es endlich so weit - das erstes beladene Schiff von der Havel erreichte, fünf Schleusen passierend, Schöpfurth (heute Finowfurt). Zusätztlich erfolgte die Kanalisierung des Flüsschens Finow - vom Möllensee bis in den Lieper See und Oderberger See. Über die "Alte Oder" erreichte der Schifffahrtsweg schliesslich Hohensaaten an der Oder. Der Ausbau bis zur Oder zog sich noch bis 1620 hin. Zu diesem Zeitpunkt waren elf Schleusen betriebsfähig und der gesamte Kanal beschiffbar.

01 - Fangschleuse bei der Liebenwaldischen Brücke
02 - Schleuse unterm Hammer-Damm (in Zerpenschleuse)
03 - Beim Sandfurth unfern Ruhlsdorf
04 - Bei Leesenbrück (erbaut 1609/10, im Dreißigjährigem Krieg zerstört)
05 - Beim Deichhaus (wahrscheinlich die spätere Grafenbrücker Schleuse)
06 - Zu Steinfurth
07 - Bei Heegermühle
08 - 1. Schleuse Wolfswinkel
09 - 2. Schleuse Wolfswinkel (später Schleuse Drahthammer)
10 - Beim Kupferhammer
11 - Neustadt Eberswalde

Die Gesamtlänge des Kanals wurde mit 38,6 km und das Gesamtgefälle zwischen der Havel und der Oder mit 31,4 m ermittelt. Die Schleusen waren als Holzkontruktionen ausgeführt und ca. 60 m lang und 9 m breit. Aus Mangel an Erfahrungen bei der Errichtung von Schleusen mussten diese ständig verstärkt und repariert werden. Zur Verbesserung der Schiffahrtsverhältnisse sollten noch zwei weitere Schleusen gebaut werden.

12 - beim Ragöser Fliess
13 - nahe Niederfinow

Der 1618 ausgebrochene Dreissigjährige Krieg verhinderte jedoch den Beginn dieser Bauten.
Die fertigen Schleusen waren sehr reparaturanfällig. Bedingt duch die Kriegseinwirkungen konnten die funktionserhaltenen Reparaturen nicht durchgeführt werden. Zusätzlich kam es zu Zerstörungen, so dass der Kanal in den nächsten Jahrzehnten völlig verfiel und in Vergessenheit geriet.


Bau des zweiten Finowkanals

1743 veranlasste Friedrich der Große den Wiederaufbau des Finowkanals (Fotos). Die alte Wasserstrasse, aus alten Plänen entnommen, wurde erneut aufgebaut. Die alten hölzernen Schleusenböden, die zum Teil ausgebraben wurden, befanden sich in so gutem Zustand, dass sie wiederverwendet werden konnten. Am 16. Juni 1746 war dann der Kanal soweit fertiggestellt, dass ein erstes Schiff mit 100 Tonnen Salz von der Havel zur Oder die Probefahrt durchführte. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Finowkanal 10 Schleusen. Geplant war der Bau weiterer Schleusen, deren Standorte und Höhenlagen mit der östlichen Verlegung der Oder und mit der Trockenlegung des Oderbruchs von 1746 bis 1753 koordiniert werden mussten. 1767 waren dann die restlichen Schleusen betriebsbereit, die Finow hatte nun 15 Schleusen und war von Liebenwalde bis in den Liepschen See 41,287 km lang. Unter Benutzung des Lieper und des Oderberger Sees sowie der Alten Oder erreichte der Finokanal über die Finowschleusen in Hohensaaten schließlich die Oder.

Die Zerpenschleuse vor der Zuschüttung




  Schleusen Vollendung Bauart weitere Baumaßmahmen
         
01  Zerpenschleuse 1746  Holzbau  1845 Massivbau, 1924/25 zugeschüttet
02  Ruhlsdorfer Schleuse 1746  Holzbau  1804 Massivbau, 1846 Neubau
03  Lesenbrücksche Schleuse 1746  Holzbau  1845 Massivbau, 1878 zweite Schleuse
04  Grafenbrücksche Schleuse 1746  Holzbau  1788 Massivbau, 1833 Neubau
05  Schöpfurtsche Schleuse 1746  Massivbau  1837 Neubau
06  Steinfurther Schleuse 1749  Holzbau  1822 Abriss (Fkt. wurde von Schöpfurther Schleuse übernommen)
07  Hegermühlsche Schleuse 1746  Massivbau  1826 Neubau
08  Wolfswinkelsche Schleuse 1746  Holzbau  1842 Massivbau
09  Drahthammerschleuse 1746  Massivbau  1840 Neubau
10  Kupferhammer Schleuse 1746  Holzbau  1773 Massivbau, 1819-23 Neubau
11  Neustädtsche Schleuse 1746  Holzbau  1749 Erweiterung, 1773 Massivbau, 1831 Neubau
12  Rogöser Schleuse 1749  Holzbau  1773 Massivbau, 1823 Neubau, 1844 Neubau
13  Stecherschen Schleuse 1749  Massivbau  1767 Neubau, 1831 Neubau
14  Nieder-Finowsche Schleuse 1748  Massivbau  1861 Abbruch
15  Liepsche Schleuse 1767  Massivbau  1874 Neubau



Der Verkehr auf dem Kanal stieg permanent an. Um den Durchsatz zu verbessern, erhielten zwischen 1874 und 1885 alle Schleusenstandorte eine zweite Schleuse.





Bis Anfang des 20. Jahrhunderst war der Finow-Kanal eine der wichtigsten deutschen Binnenwasserstrassen. Er hatte wesentlichen Anteil an der industriellen Entwicklung der Brandenburgisch-Preussischen Industrie.
Die zu trasportierenden Gütermengen stiegen jedoch dermassen stark an, dass der Bau einer neuen Havel-Oder-Wasserstraße erforderlich wurde, die 1914 in Betrieb ging (Hohenzollernkanal). Der Finowkanal verlor dadurch seine Bedeutung.
Ab 1928 wurde dann auch die jeweils ältere Schleuse aller Schleusenstandorte zugeschüttet - Ausnahme : Eberswalder Schleuse, hier war das ältere Becken besser erhalten - deswegen ist auch die Eberswalder Stadtschleuse die älteste Schleuse des Finowkanals.

Noch in den Anfangsjahren der DDR wurde der Finowkanal wirtschaftlich genutzt. Doch mit einer Kesslexplosion im Gaswerk Eberswalde brach 1972 der Hauptnutzer des Transportweges weg und seitdem dient der Finowkanal nur noch zur Regulierung des Wasserhaushaltes - dementsprechend wurden nur noch die notwendigsten Erhaltungsmaßnahmen durchgeführt.

 

Alte Oder

Die alte Oder zwischen Güstebiese und Hohensaaten verlief einst über Wriezen und Freienwalde. 1753 wurde mit dem Bau eines 21km langen Oderkanals der Strom um etwa 25km verkürzt. Kurz zuvor (1746) war der zweite Bau des Finowkanals fertiggestellt worden.
Mit der vollständigen Eindeichung des Oderbruches (um 1850) wurde für die Verbindung vom Finowkanal zur Oder bei Hohensaaten eine Schleusen erforderlich, die 1859 in Betrieb ging. Durch diese Schleuse konnte die Differenz des nun etwa zwei Meter tieferliegenden Oderbruchwasserspiegels ausglichen werden.
Mit Errichtung der Großschiffahrtsstraße und dem Ausbau der Hohensaaten-Friedrichsthaler Wasserstraße ging 1914 eine neue große Schleuse in Hohensaaten in Betrieb. Damit verlor die alte Schleuse ihre Bedeutung und wurde vermutlich in den 1940/50ern abgetragen sowie zugeschüttet.
Die zwei kleinen "Minihafenbecken" an der Oderseite bei Hohensaaten im Ortsteils "Alte Schleuse" erinnern noch an die einstige Schleusen zur Oder.


Der Finowkanal heute

Inzwischen wurde der Finowkanal für den Tourismus und Wassersport wiederentdeckt. Nach umfangreichen Sanierungsarbeiten ist der Finowkanal heute wieder mit seinen 12 handbetriebenen Schleusen durchgängig beschiffbar.

Das Durchschleusen dauert pro Schleuse ca. 20 min. Zwischen der Wolfswinkelschen Schleuse und der Drahthammer-Schleuse (Lichterfelder Str.) ist zusätzlich eine stündlich öffnende Hebebrücke zu passieren. Der Finow-Kanal ist per Schiff vermutlich an einem Tag nicht zu bewältigen !




Die idyllische Natur bietet Lebensraum für selten gewordene Pflanzen und Tiere.
Entlang des Finowkanals wurden gut ausgebaute und gekennzeichnete Radwege angelegt, die zu Entdeckungstouren einladen - denn den Finowkanal säumen viele kultur- und industriegeschichtliche Einmaligkeiten. Seit Anfang des 17. Jahrhunderts entstand im Finowtal ein industrielles Zentrum - das sogenannte „Märkisches Wuppertal“. Noch heute erinnern Industriedenkmäler u.a. der Stadtteile Kupferhammer, Eisenspalterei und Messingwerk an die bedeutende Industrievergangenheit.



Quellen :

-
"Berlin und die Märkischen Wasserstraßen", Hans-Joachim Uhlemann, (VEB Verlag für Verkehrswesen, 1987),

-
"250 Jahre Finowkanal", Hans-Joachim Uhlemann, (Verlag Krüpfganz Duisburg, 1996),

-
"Wasserwege und Bauwerke zwischen Havel und Oder", Günter Kaiser, (2006).